Prozess gegen die Brüder von Hatun Sürücü geht weiter

Am Donnerstag, den 28. April 2016 wird der Prozess gegen die zwei Brüder von Hatun Sürücü fortgesetzt. Hatun Sürücü wurde am 07. Februar 2005 auf offener Straße ermordet. Verurteilt wurde damals nur der jüngste Bruder, Ayhan Sürücü, der die Tat gestanden hatte. Er habe den westlichen Lebensstil seiner Schwester abgelehnt und mit dem Mord die Ehre seiner Familie wiederherstellen wollen.

Zwei andere Brüder, Mutlu und Alpaslan Sürücü, waren angeklagt, den jüngeren Bruder zu dem Mord angestiftet und die Tatwaffe besorgt zu haben. Sie wurden aber zunächst aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Dieses Urteil wurde allerdings vom Bundesgerichtshof 2007 aufgehoben und die zwei Brüder, die sich in die Türkei abgesetzt hatten, international zur Fahndung ausgeschrieben. In der Türkei, welche die Angeklagten nicht auslieferte, wurde 2013 schließlich ein eigenes Strafverfahren eingeleitet.

Am ersten Verhandlungstag am 26. Januar 2016 wurde der Prozess bereits nach einer Stunde auf Ende April vertagt. Dann soll die Kronzeugin aus dem Prozess in Berlin gehört werden.

Der Handlungsbedarf für die Unterstützung Betroffener ist weiterhin hoch: Es vergeht kaum ein Monat, in dem die Medien nicht über einen weiteren Mord berichten, der im Namen der Ehre verübt wurde. Auch werden nach wie vor Mädchen und Frauen zwangsverheiratet – viele sind noch minderjährig, wie damals Hatun Sürücü.

TERRE DES FEMMES macht daher im Rahmen des 2-jährigen Schwerpunktes „STOP Frühehen!“ mit Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit auf das Thema „Frühehen/Zwangsheirat Minderjähriger“ aufmerksam und setzt sich für Gesetzesänderungen und Präventionsmaßnahmen ein.

Mit unserer aktuellen Petition, die noch bis 30. April 2016 unterschrieben werden kann, fordern wir die Bundesregierung auf, sich für die Durchsetzung des Mindestheiratsalters 18 Jahre einzusetzen sowie begleitende Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen durchzuführen. Am 9. Mai werden wir im Rahmen eines Fachgesprächs die gesammelten Unterschriften an das Bundesjustizministerium übergeben.

Jeden Tag werden weltweit 41.000 Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Und das, obwohl die UN-Kinderrechtskonvention als gesetzliches Mindestheiratsalter 18 Jahre empfiehlt und sich die Weltgemeinschaft mit der Verabschiedung der Nachhaltigen Entwicklungsziele auf eine Abschaffung von Kinder- und Frühehen bis 2030 geeinigt hat. Mädchen erleben nach einer frühen Heirat oftmals häusliche oder sexualisierte Gewalt und müssen entweder die Schule oder die Ausbildung abbrechen. Auch wenn Frühehen mehrheitlich in Asien, Afrika und Lateinamerika vorkommen, können in Deutschland ebenfalls Minderjährige ab 16 Jahren mit Zustimmung des Familiengerichts heiraten.

 

Stand: 04/2016