Verurteilung wegen Zwangsheirat fehlt die rechtliche Grundlage – Vorsitzender Richter spricht von Gesetzeslücke

Angeklagt waren zwei Männer, im Jahr 2011 ihre damals 18-Jährige Tochter und Cousine in die Türkei gelockt und dort gegen ihren Willen mit ihrem Cousin verheiratet zu haben. Außerdem soll der zum Tatzeitpunkt 26-Jährige Cousin seine damalige Ehefrau mehrfach vergewaltigt haben. Der Prozess begann bereits vor fast vier Jahren, wurde jedoch zur Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachten der Frau für mehrere Jahre unterbrochen. Am 26. Januar 2017 verurteilte das Landgericht Kaiserslautern nun die beiden Männer wegen gemeinsamer gefährlicher Körperverletzung, Nötigung sowie Freiheitsberaubung zu 14 Monaten Haft auf Bewährung.

Das gefällte Urteil bezieht sich auf einen Vorfall in der elterlichen Wohnung der Frau. Nachdem sie ihre Trennung mitgeteilt hatte, wurde sie von den beiden Männern festgehalten, geschlagen und bedroht. Ihr gelang jedoch die Flucht.

Obwohl der Vorsitzende Richter Alexander Schwarz überzeugt war, dass eine Zwangsverheiratung vorliege, konnte diese nicht bestraft werden. Der zuständigen Strafkammer fehlte die rechtliche Grundlage dafür. Auch die Vergewaltigung im Ausland konnte nicht belangt werden. In beiden Fällen hätte die Frau zum Tatzeitpunkt schon die deutsche Staatsbürgerschaft haben müssen. „Deshalb kann hier unser Recht nicht angewandt werden. Das ist eine Gesetzeslücke, die das Urteil für uns im höchsten Maße unbefriedigend macht," sagt Schwarz. (rheinpfalz.de)

Auch wenn der Richter in seiner Urteilsbegründung nicht konkreter wurde, vermutet TERRE DES FEMMES, dass die erst 2015 erfolgte Aufnahme des Straftatbestands Zwangsverheiratung in den Katalog der Auslandstaten (§5 StGB) die fehlende rechtliche Grundlage darstellt. Seitdem unterliegen Opfer im Ausland dem Schutz deutschen Strafrechts wenn sie ihren Wohnsitz oder regelmäßigen Aufenthalt in Deutschland haben. Bis 2015 erforderte dies die deutsche Staatsbürgerschaft des Opfers und/oder des Täters. Zusätzlich musste die Tat im Ausland vor Ort ebenfalls als Straftatbestand gelten. Im vorliegenden Fall erhielt die Frau erst nach der Tat die deutsche Staatsbürgerschaft.

Bereits 2011 hätte der Gesetzgeber im Zuge des Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetzes die Aufnahme des neu geschaffenen § 237 StGB (Zwangsheirat) in den Katalog der Auslandstaten beschließen können. Er hat sich aber trotz eindringlicher Appelle auch von Seiten TERRE DES FEMMES dagegen entschieden. Wir freuen uns daher sehr über die deutlichen Worte des Richters.

Die junge Frau lebt nun im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms mit einer neuen Identität. Diese Maßnahme war alternativlos. „Die Angeklagten haben nichts unversucht gelassen, sie zu finden. (...) Die Familien haben sie massiv bedroht", sagt die Anwältin der Geschädigten im SWR.

Beide Seiten haben angekündigt, eventuell Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

Stand: 01/2017


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