„Ehren“-Mord an Morsal Obeidi jährt sich zum vierten Mal

Am 15. Mai 2008 wurde die Deutsch-Afghanin Morsal Obeidi in Hamburg im Alter von nur 16 Jahren von ihrem eigenen Bruder mit mehr als 20 Messerstichen ermordet. Als Grund für die Tötung gab er an, dass sich Morsal „von der Familie abgewandt“ habe. Sie wollte wie jedes andere Mädchen ihres Alters sein: Sie wollte sich hübsch anziehen, sich schminken, mit ihren FreundInnen ausgehen. Ihrer Familie aber missfiel ihre westliche Lebensweise.

 Mit ihrer Familie kam es daher öfters zu gewalttätigen Konflikten, insbesondere mit ihrem Vater und ihrem Bruder. Um sie wieder auf den „rechten Weg“ zu bringen, wurde Morsal sogar nach Afghanistan zu Verwandten geschickt. Die letzten zweieinhalb Jahre vor ihrem Tod floh Morsal immer wieder in Einrichtungen der Kinder- und Jugendnothilfe. Die Verbindung zur Familie und der Wunsch nach Anerkennung und Liebe waren aber stärker und führten sie immer wieder zur Familie zurück. Der Mord an Morsal ist somit nur der Abschluss einer langen Leidensgeschichte.

Ihr Bruder Ahmad wurde am 23. Februar 2009 vom Hamburger Landgericht wegen heimtückischen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

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Fälle sogenannter "Ehren"-Morde sind leider keine Seltenheit. Das erste - einer breiteren Öffentlichkeit bekannte - Opfer war Hatun Sürücü, die im Februar 2005 von ihrem Bruder erschossen wurde. Aktuell läuft der Prozess gegen die Geschwister von Arzu Özmen, die im November 2011 ermordet wurde. In beiden Fällen duldeten die patriarchalisch strukturierten und traditionell denkenden Familien nicht das freie und selbstbestimmte Leben der Töchter/Schwestern.

Wie TERRE DES FEMMES in einer Stellungnahme zur Veröffentlichung einer BKA-Studie betont hat, besteht dabei ein enger Zusammenhang zwischen "Ehren“-Morden und Zwangsverheiratungen. Mädchen und junge Frauen müssen bis zur Hochzeit mit dem für sie ausgewählten Mann Jungfrau bleiben, sonst verletzen sie die Ehre der Familie. Um dies zu verhindern, werden sie möglichst früh verheiratet.

TERRE DES FEMMES fordert: Lehrkräfte sowie die MitarbeiterInnen von Behörden wie Jugendamt und Polizei müssen sensibilisiert und geschult werden, damit junge Frauen nicht das gleiche Schicksal ereilt wie Morsal, Hatun oder Arzu; sichere Schutzeinrichtungen, in denen bedrohte Mädchen und junge Frauen Zuflucht finden können, müssen bundesweit geschaffen werden; verkrustete, patriarchale Strukturen, denen sich zum Teil auch Männer unterworfen fühlen, müssen aufgebrochen werden!


TERRE DES FEMMES-Aktivistin Saltanat Shalkibayeva mit dem Bild der ermordeten Morsal Obeidi bei der Kundgebung vor dem Hamburger Landgericht zum Prozessauftakt am 16.12.2008. Foto ©: TERRE DES FEMMESTERRE DES FEMMES-Aktivistin Saltanat Shalkibayeva mit dem Bild der ermordeten Morsal Obeidi bei der Kundgebung vor dem Hamburger Landgericht zum Prozessauftakt am 16.12.2008.
Foto ©: TERRE DES FEMMES-Archiv

Über 60 Frauen und Männer nahmen an der Kundgebung am 16.12.2008 teil. Foto ©: TERRE DES FEMMESÜber 60 Frauen und Männer nahmen an der Kundgebung am 16.12.2008 teil. Foto ©: TERRE DES FEMMES-Archiv