TERRE DES FEMMES bot Workshops und Hilfen für fast 500 SchülerInnen im Rahmen der „Weißen Woche“ an

- Eine Woche im Zeichen der Sensibilisierung zu Früh- und Zwangsverheiratungen

Gruppenfoto WW 1 „TDF und die Polizei an einer Schule“, Copyright: TDFVom 27.06.-01.07.2022 führte TERRE DES FEMMES gemeinsam mit der Polizei Berlin Workshops und Sensibilisierungsangebote in Schulen in Berlin-Mitte, -Charlottenburg und -Marzahn durch. Insgesamt erreichten wir ca. 350 SchülerInnen im Rahmen der Workshops sowie geschätzte weitere 140 durch unsere Informations- und Beratungsangebote in den Schulfoyers. Anlass dieser Aktion war, vor den Sommerferien auf die Gefahr einer Verschleppung und Zwangsverheiratung im Ausland aufmerksam zu machen und konkrete Hilfen aufzuzeigen. Denn die langen Sommerferien stellen ein erhöhtes Risiko dar, unter dem Vorwand des Familienbesuchs (minderjährige) Frauen im Ausland gegen den eigenen Willen zu verheiraten – von dort jedoch ist es nur noch sehr schwer möglich, sich einer Zwangsverheiratung zu widersetzen oder Hilfe zu suchen. Umso wichtiger ist die Präventionsarbeit vor einer möglichen Reise ins Herkunftsland der Familien.

Die Rückmeldungen der Lehrkräfte, SchulsozialarbeiterInnen sowie der Schülerinnen und Schüler belegten, dass Früh- und Zwangsverheiratungen an deutschen Schulen ein sehr präsentes Thema ist – und Präventionsarbeit dringend notwendig.

 

Im Spannungsfeld zwischen den eigenen Wünschen – und denen der Familie

Der Zwiespalt und das hin und hergerissen sein „zwischen den Welten“ kam so manches Mal in den Workshops zum Vorschein. Zwar wussten viele, dass man in Deutschland offiziell erst ab 18 Jahren heiraten darf und dass eine Eheschließung unter Zwang nicht nur im moralischen Sinne, sondern auch in den Lehren der großen Religionen unzulässig ist. In einer Gewaltsituation die Familie im Notfall zu verlassen, schien für viele allerdings kaum vorstellbar: „Die Familie ist das Wichtigste“, so eine Schülerin, „und die würde zerstört werden, wenn man die Familie verlässt“. Außerdem war auffällig, dass bei vielen noch verankert war, dass man „in Ausnahmefällen mit Zustimmung der Eltern“ auch mit 16 Jahren oder jünger heiraten dürfe. Das 2017 verabschiedete „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“, welches das Mindestheiratsalter auf 18 Jahre ohne Ausnahmen festsetzte und auch traditionelle Eheschließungen oder Verlobungen von Minderjährigen seitdem verbietet, ist noch nicht in der Breite angekommen.

Zudem spielen Traditionen und unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse der Generationen oft eine große Rolle. Ein Schüler fasste es so zusammen:

„Bei den Eltern und Großeltern ging es oft eher ums überleben. Meine Generation möchte aber etwas erleben.“

Im Rahmen der Workshops stellten wir Beratungsstellen und Hilfsangebote sowie die Gesetzeslage in Deutschland vor, sensibilisierten für die lebenslangen Folgen, die durch eine Früh- oder Zwangsverheiratung für alle beteiligten Personen entstehen können und ließen auch genügend Raum, um die (Präventions-)Möglichkeiten der Polizei vorzustellen.

Kernbotschaft: So früh wie möglich Beratung suchen

Je eher man sich im Verdachtsfall beraten lässt, desto mehr Zeit steht zur Verfügung, genau auszuloten, welcher Weg für die bedrohte oder betroffene Person der Richtige ist. Denn der endgültige Bruch mit der Familie gilt es im Idealfall durch vermittelnde Gespräche im Vorfeld zu verhindern.

Sowohl als Bedrohte, aber auch als nicht-bedrohte oder betroffene Person kann man die Angebote der Beratungs- und Hilfssysteme in Anspruch nehmen. Denn auch Dritte können durch Erkennen entsprechender „Warnzeichen“ einen wichtigen Beitrag leisten, potenziell gefährdeten Personen zur Seite zu stehen.

Insbesondere Schulen stellen eine Schnittstelle in der Präventionsarbeit dar: Sie sind oft der einzige Ort, an dem sich von Früh- oder Zwangsverheiratung bedrohte oder betroffene Mädchen und Frauen außerhalb ihrer Familien aufhalten dürfen. Zudem ergab unsere zuvor durchgeführte anonyme Schulumfrage, dass es bundesweit viele (Verdachts-)Fälle an deutschen Schulen gibt.

Die „Weiße Woche“ – der Grundstein ist gelegt

Bereits während der laufenden Schulaktionen erhielten wir die Rückmeldung von Lehrkräften, dass wir gern nächstes Jahr wiederkommen können – wir freuen uns über das wichtige Feedback und möchten die Weiße Woche nicht nur fortsetzen, sondern langfristig gesehen auch bundesweit ausbauen.