Was bedeutet es für eine junge Frau den "richtigen" Ehemann heiraten zu müssen?

Wie gehen die jungen Frauen mit dieser Situation um? Welche Erwartungshaltung hat die Gesellschaft gegenüber den Frauen?

Es ist nicht immer einfach mit sich selbst zufrieden zu sein und gleichzeitig mit seinem kulturellen Umfeld, der dir von außen schon Bedingungen setzt, insbesondere für Frauen in muslimischen Traditionen. So wie ich es kennen gelernt habe, bist du entweder glücklich mit der Entscheidung in deinem Privatleben, die du selbst getroffen hast: dann sind es die Anderen (dein Familienkreis), die nicht damit zufrieden sind und in den allerschlimmsten Fällen tun sich überwiegend männliche Familienmitglieder wie Brüder, Väter oder Onkel zusammen und begehen den sogenannten „Ehrenmord“. Nur, weil sie mit deinem Lebensstil nicht klarkommen. Oder du opferst dich - wie es meistens der Fall ist - und stellst deine eigenen Emotionen ab und deine Bedürfnisse in den Hintergrund, um die Anderen zufrieden zu stellen und dich an deinen Kulturkreis anzupassen.

Sich zu verlieben ist eines der schönsten Dinge, die das Leben zu bieten hat.

Aber auch genauso eines der Kompliziertesten bei den meisten Frauen mit muslimischen Wurzeln. Denn du musst dir meistens jemanden aussuchen, der deinen Eltern gefällt. Wie es vor hunderten Jahren Brauch war, seine Töchter durch arrangierte Ehen zu verheiraten, so ist es das heute immer noch. Aber „Liebesheiraten“ werden heute mehr und mehr zum Trend. Viele muslimische Paare heiraten nach jahrelanger Beziehung aus Liebe, die sie lange unter sich geheim halten müssen. Die Familien bzw. Eltern dürfen die Beziehung nicht mitbekommen bis sie soweit sind, sich offiziell zu verloben. Das ganze Versteckspiel und der große Druck lasten ausschließlich auf den Frauen. Der Frau wird vom Mann und der Gesellschaft schnell etwas unterstellt, wenn sie etwas nicht „anständig“ macht. 

Für mich persönlich verliert die Liebe somit ihre so wunderschöne Bedeutung, da die Moralvorstellungen, die das Verhalten und die Rolle der Frau in unserer Religion und Kultur vorschreibt und kontrolliert, immer in den Vordergrund gestellt werden.

Für eine Frau, die glücklich heiraten möchte, weil sie jemanden gefunden hat, der dem gleichen Kulturkreis angehört und alle möglichen „Voraussetzungen“ erfüllt, die ihre Familie einfordert, ist es besonders schwierig. Denn ihr Freund hält ihre Beziehung vor der Ehe, gegenüber den Älteren und seiner Eltern/Mutter geheim, um das „Image“ seiner Freundin zu schützen. Denn oft kommt es vor, dass die Freundin beschuldigt wird „leichte Beute“ zu sein. Dem Sohn wird eine Liebesbeziehungvor der Ehe nicht immer „erlaubt“. Der Frau kann schnell unterstellt werden, dass sie eine Hochzeit nicht „verdient“, da sie ja bereit war mit ihrem Freund eine Beziehung vor der Ehe einzugehen. Ihr kann sogar vorgeworfen werden, dass sie vor ihrem jetzigen Freund auch andere Männer kennen gelernt habe. Somit wäre sie in den Augen ihrer zukünftigen Schwiegereltern nicht mehr vertrauenswürdig. Die Schwiegerfamilie würde ihr sogar vorwerfen, dass sie vielleicht keine „Jungfrau“ mehr ist. Dadurch kann ihr Ruf geschädigt werden. Sie gilt dann als „beschmutzt“ und hätte kein Anspruch mehr auf eine Hochzeit, die bei uns von der Familie des Sohnes bezahlt wird. Dann soll sie erst recht nicht geheiratet werden. So kann auch eine glückliche Beziehung zu vielen Komplikationen führen und natürlich ist die FRAU die „Leidtragende“. Der Mann hört entweder auf seine Familie und heiratet sie nicht, entscheidet sich im Endeffekt für die Wahl seiner Eltern, in den meisten Fällen für ein sehr junges, „anständiges und unberührtes“ Mädchen von der Heimat oder er entscheidet sich für seine Freundin und muss bis zum Schluss für sie kämpfen.

Ich, zum Beispiel fühle mich bei diesen Thema gar nicht wohl.

Denn sehr oft fühl ich mich bei dem Thema Heirat wie ein Stück Fleisch, das auf dem "Heiratsmarkt" so gut wie möglich verkauft werden sollte. Die meisten Frauen heiraten gar nicht aus Liebe, sondern gehen in Ehen, die durch ihre Familien arrangiert wurden. Damit dein Ruf und die deiner Familie unbeschadet bleiben sollst du am besten gar keine Beziehung zu einem Mann vor der Ehe eingehen. Wenn du das tust, musst du ihn auch heiraten oder dafür sorgen, dass er dich heiratet, unabhängig davon, ob er gut oder schlecht für dich ist.

Für die Eltern eines Mädchens gibt es fast nichts Erniedrigendes als eine Tochter zu haben, die durch ihr Verhalten ihrem Ruf und der Familienehre geschadet hat, weil viele das mitbekommen haben.

Die Frauen sind somit bezüglich Liebe, Hochzeit und Partnerschaft vielen Problemen, inneren Kämpfen sowie Ungerechtigkeiten ausgeliefert.

Männer erleben viele sexuelle Abenteuer wie sie nur wollen, da sie von „Gott gewollt“ kein Körperteil haben, der ihre Jungfräulichkeit beweisen kann und heiraten dann eine  „unberührte Heilige“, die dem Image der „guten Ehefrau“ gerecht werden soll.

Von der Frau wird in islamischen Kulturkreisen automatisch erwartet, sich nur für einen Mann in ihrem Leben zu entscheiden, mit dem sie vor der Ehe so wenig wie möglich in Kontakt tritt, damit ihr „Wert“ nicht sinkt und ihr und ihrer Familie eine Hochzeit zusteht.

Ich persönlich frage mich sehr oft, wie lange es mit der ungerechten und diskriminierenden Erwartungshaltung gegenüber der Frau in meinem muslimischen Kulturkreis weitergehen soll? Wann beginnt die Gesellschaft zu verstehen, dass die Frau eigenständig über ihr Leben entscheiden möchte und kann? Eine Frau sollte nicht mehr auf die „Jungfräulichkeit“ und somit Sexualität reduziert werden. Ich denke, dass viele Männer, wegen vorhandener Ängste und Minderwertigkeitskomplexe ihre Frauen nicht gut behandeln. Männer, die ihre Frauen als gleichberechtigte Personen akzeptieren und danach handeln, sollten Respekt und Anerkennung in muslimischen Gesellschaften bekommen. Leider bin ich selbst noch nicht so einem toleranten Mann im meinem Umfeld begegnet, der die Frau als ein gleichberechtigtes Wesen anerkennt. Nicht nur Frauen sollten für die Freiheit und Selbstbestimmung der Frau kämpfen. Auch Männer sollten sich aktiv für die Frauenrechte einsetzen und das Rollenbild der Frau in der Gesellschaft mit ändern.