Zum fünften Jahrestag des „Ehren“-Mordes an Arzu Özmen

Mahnwache am 16.05.2012 zum Prozessende des sogenannten Ehrenmordes an Arzu Özmen vor dem Landgericht Detmold. Foto ©: Sirin ÖztürkMahnwache am 16.05.2012 zum Prozessende des sogenannten Ehrenmordes an Arzu Özmen vor dem Landgericht Detmold. Foto ©: Sirin ÖztürkWir erinnern an Arzu Özmen, die am 01.11.2011 von fünf ihrer Geschwister entführt und von einem ihrer Brüder ermordet wurde.

Die 18-jährige deutsch-kurdische Jesidin wurde ermordet, weil ihre Familie ihre Beziehung zu einem Deutschen nicht duldete. Als die Familie von der Beziehung erfuhr, wurde Arzu von ihrem Vater und einem ihrer Brüder geschlagen und zuhause eingesperrt. Arzu gelang es jedoch zu fliehen und in einem Frauenhaus unterzukommen.

Als ihre Geschwister sie entführten, war Arzu bei ihrem Freund. Kurze Zeit später wurde sie von ihrem Bruder in einem Waldstück erschossen.

Der Täter behauptete später vor Gericht, er habe seiner Schwester lediglich „den Kopf waschen“ wollen, doch die Situation sei außer Kontrolle geraten, als es angeblich zu einem Streit zwischen ihm und Arzu kam. Der vorsitzende Richter Michael Reineke schenkte dieser Behauptung keinen Glauben und stellte fest, dass es sich im Fall Arzu Özmen um einen „Ehren“-Mord handelt. Der Täter wurde im Mai 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt. TERRE DES FEMMES hat den Prozess begleitet. Im Februar 2013 wurde außerdem Arzus Vater wegen Beihilfe zum Mord zu einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt.

Laut Lippischer Landes-Zeitung wurden im Juni 2016 zwei Brüder (21 und 24 J.) Arzus vorzeitig auf Bewährung freigelassen. Sie waren wegen Beteiligung an der Entführung zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Oberstaatsanwalt Christopher Imig aus Detmold hatte sich gegen eine frühzeitige Haftentlassung ausgesprochen, da sie noch weitere jüngere Schwestern haben, die vor ihnen geschützt werden sollten. Dennoch entschied das Landgericht Bielefeld für eine frühzeitige Haftentlassung.

Arzu Özmen wurde ermordet, weil sie ein selbstbestimmtes und freies Leben führen wollte. Wie bereits Hatun Sürücü, Morsal O. und viel zu viele weitere Frauen musste Arzu sterben, weil sie sich nicht den streng traditionell-patriarchalischen Regeln und Vorstellungen ihre Familie unterwerfen wollte. Es gilt folglich, Frauen besser zu schützen, die sich an Behörden und sonstige Einrichtungen wenden, um dieser Form von Gewalt zu entgehen.

Dieser Fall zeigt eindeutig, wie wichtig ein besserer Datenschutz ist, wenn Frauen Gefahr laufen, Opfer eines „Ehren“-Mordes zu sein. Dadurch, dass Arzus Schwester zu der Zeit in der Stadtverwaltung arbeitete, war Arzus Lage besonders kritisch. Tatsächlich hatte ihre Schwester versucht, ihre Position zu nutzen, um ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Deswegen ist die Verschlüsselung interner Daten und eine Zugriffsbeschränkung bei personenbezogenen Daten äußerst wichtig.

In den Fällen von Arzu Özmen und Hatun Sürücü wurden die Täter verurteilt, die Taten klar als „Ehren“-Mord benannt. Trotzdem werden noch immer täglich Verbrechen im Namen der Ehre begangen. Tatsächlich laufen momentan verschiedene Gerichtsprozesse zu Morden im Namen einer falsch verstandenen „Ehre“.

Im Fall Hatun Sürücü wurde der Prozess gegen ihre zwei älteren Brüder, die sich momentan in Istanbul wegen Töten einer nahen Verwandten vor Gericht verantworten müssen, auf den 16. Februar 2017 verschoben.

Stand: 10/2016