Zwei wichtige Urteile zu Gewalt im Namen der Ehre gefällt

Am 01.12.2015 wurden zwei wichtige Urteile zu Zwangsheirat und „Ehren“-Mord verkündet. Wir hoffen, dass beide Urteile ein Signal an potentielle TäterInnen sind, dass Gewalt im Namen der Ehre in Deutschland nicht akzeptiert wird.

Bestätigung des Urteils im Potsdamer Zwangsheiratsprozess

Bereits am 01.12.14 wurde der 48-jährige Tamer B. vom Amtsgericht Potsdam zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Außerdem wurde verfügt, dass er zu seiner 22 Jahre alten Tochter keinen Kontakt mehr aufnehmen darf. Der Angeklagte hatte jedoch Berufung eingelegt. Diese hat er im Vorfeld des zweiten Prozesses am Landgericht Potsdam zurückgenommen, das erste Urteil aus dem Jahr 2014 ist damit rechtskräftig.

Zum Hintergrund: Der 48-Jährige Angeklagte hatte seine Tochter im Sommer 2012 gegen deren Willen in eine Ehe gezwungen, auserkoren hatte er den Sohn eines Arbeitskollegen. Zuvor lebte das Mädchen fast ohne Kontakt zu ihrem Vater in der Türkei, bis sie im Frühjahr 2012 wegen Morddrohungen ihres Onkels fliehen musste. Die Beziehung zu einem jungen Mann hat der Familie missfallen. Ihr eigener Bruder wurde dazu beauftragt sie umzubringen. Er aber hat den Mord an seiner Schwester verweigert und floh mit ihr zusammen nach Deutschland. Kurze Zeit später arrangierte der Vater in Deutschland die Hochzeit. Ein Mitspracherecht habe sie dabei nicht gehabt, sagte die Betroffene vor Gericht. Ihr Vater und ihr Bruder hätten so starken Druck auf sie ausgeübt, dass sie aus Angst vor Übergriffen mit dem auserwählten Mann im türkischen Konsulat die Ehe schloss. Kurz vor der eigentlichen Hochzeitsfeier fasste sie den Mut, zu fliehen und kam in einem Frauenhaus unter.

Urteil in Darmstädter „Ehren“-Mord-Prozess

Am 01. Dezember 2015 fand der letzte Verhandlungstag im so genannten Ehrenmord-Prozess in Darmstadt statt. Die beiden angeklagten Eltern des Opfers wurden wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.

Verurteilt wurde das Paar für den gemeinschaftlich geplanten Mord an ihrer 19 Jahre alten Tochter Lareeb K. Während des Prozesses hatte der aus Pakistan stammende Vater zugegeben, Lareeb im Schlaf zu Tode gewürgt zu haben, weil sie eine von ihm und seiner ebenfalls aus Pakistan stammenden Frau nichtgeduldete Beziehung zu einem älteren Studenten führte. Während die Mutter des Opfers zu Beginn des Prozess noch versucht hatte, die Täterschaft ausschließlich ihrem Ehemann zuzuschieben, gestand sie später ein, sie habe Angst gehabt, dass die Ahmadiyya-Gemeinde, in der das Ehepaar wie auch Lareeb Mitglieder waren, Kenntnis vom vorehelichen Sex ihrer Tochter erlange und dass der Familie daher der Ausschluss aus ihrem privaten Umfeld drohe. Dieser Fall zeigt, dass Ehrenmorde in der Regel gemeinschaftlich beschlossen werden und es somit mehr als eine/n TäterIn gibt und dass auch Frauen zu Täterinnen werden können.

Im Vorgehen der Eltern, die Angst hatten, ihr bisheriges Leben zu verlieren, erkannte der Richter das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe. Er folgt damit der jüngeren Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs zu Fällen von so genanntem Ehrenmord.

Wir begrüßen diese Entwicklung und beide Urteile. Wir hoffen, dass dadurch mehr junge Frauen den Mut fassen einen Prozess gegen Familienmitglieder zu führen und es damit zu mehr Verurteilungen der TäterInnen kommt.

Stand: 12/2015