Prozess gegen Sürücü-Brüder erneut vertagt – Ausreisesperre aufgehoben

Am 16. Februar 2017 wurde der Prozess gegen die zwei Brüder nach dreimonatiger Unterbrechung fortgesetzt. Wie schon bei der vorherigen Verhandlung im Oktober wurde der Prozess kurz nach Verhandlungsbeginn auf den 30. März 2017 vertagt. Es fehlt die wichtigste Zeugin.

Angeklagt sind die beiden Männer, ihren jüngsten Bruder mit dem Mord an ihrer Schwester Hatun Sürücü beauftragt und dafür die Tatwaffe besorgt zu haben. Hatun Sürücü wurde am 7. Februar 2005 auf offener Straße in Berlin-Tempelhof erschossen, der Täter war zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt. Er wurde in Deutschland zu neun Jahren Jugendhaft verurteilt und anschließend in die Türkei abgeschoben. Die beiden derzeitigen Angeklagten wurden damals aus Beweismangel freigesprochen; eine erneute Verfahrensaufnahme in Deutschland 2007 verhinderte ihre Ausreise in die Türkei. Im Januar 2016 wurde der Prozess gegen die zwei Brüder in Istanbul neu aufgenommen.

Die wichtigste Zeugin, eine ehemalige Freundin des Täters, wird voraussichtlich keine Aussage machen. Sie hatte jedoch 2005 im ersten Verfahren angegeben, dass die beiden derzeitig Angeklagten sowie die Eltern an der Planung des „Ehren“-Mordes beteiligt gewesen waren. Wegen massiver Anfeindungen durch die Familie Sürücü lebt die Frau in einem Zeugenschutzprogramm. Prozessbeobachter gehen aus Mangel an Beweisen von einem Freispruch der beiden Brüder aus.

Hatun Sürücü ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, mit 16 Jahren wurde sie in der Türkei zwangsverheiratet. Sie floh mit ihrem Sohn nach Deutschland, holte ihren Schulabschluss nach und begann eine Ausbildung. Mit 23 Jahren wird sie von ihrem Bruder erschossen. Die Tat löste in Deutschland eine Debatte um Integration und Parallelgesellschaften aus. Bis heute gilt der Fall Hatun Sürücüs als tragisches Beispiel für überkommene Wertvorstellungen und archaische Traditionen in patriarchalisch geprägten Gesellschaften. Gleichzeitig ermutigt Hatun Sürücü, immer wieder für das Recht auf ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben in Freiheit einzustehen.

An den diesjährigen Veranstaltungen zum Gedenken Hatun Sürücüs verlas TERRE DES FEMMES am Tatort die Namen der Opfer sogenannter Ehrenmorde im Jahr 2016. In Neukölln wurde vom Bezirksamt eine Fahne mit dem Titel „Selbstbestimmt leben! – ohne Gewalt“ gehisst. Am TDF-Stand konnten sich Interessierte zu ehrbezogener Gewalt informieren.  

Stand: 02/2017